Teil 2.2: Von Bornholm nach Kalmar

Noch fällt mir die täglich Routine an Bord schwer. Wo war noch mal der Knoblauch, habe ich nicht schon zum zweiten Mal die Wetterdaten abgerufen, schon wieder vergessen das Funkgerät einzuschalten und vieles mehr. Blessuren am Kopf und den Knien, weil die Gelenkigkeit doch nachlässt, sind bei einem Kajüteninnenraum von halber Stehhöhe kaum zu vermeiden. Aber nicht Jammern sag ich mir, du hast es so gewollt. Ja, und dazu stehe ich auch.

Dann in den ganz frühen Morgenstunden habe ich die Leinen in Allinge losgeworfen und den Kurs auf Nogersund in Schweden abgesetzt. Eigentlich ganz einfach: immer nach Norden. Zunächst mit halben Wind konnte ich die „Frachter- und Tankerautobahn“ kreuzen.

Dann drehte er nach Südwest und das bedeutete Gennakerkurs. Erst gemächlich zum Eingewöhnen, aber nachdem die Wolkendecke zunahm war die Logge kaum unter 6,5 Knoten beim Wellensurfen. Das war für mich schon anstrengen und dies über Stunden. Kurz vor dem Ziel kam dann die Sonne wieder hervor und ich hatte die Chance den Gennaker problemlos einzurollen. Nur meine Navigationinstrumente spielten verrückt, da die Batteriespannung unter 9 Volt fiel. Also stand ein Batterietausch in Nogersund an, aber ein Übernachtungsplatz hatten sie dort nicht für mich. Den fand ich 5 sm nordwärts in Hörviks, wo erschöpft nach 12 Stunden mir ein nettes Schweizer Pärchen einen Liegeplatz zeigte und mir beim Anlegen half. Gleich kam man ins Quatschen, obwohl ich noch nicht einmal die Rettungsweste ausgezogen hatte. Sie hatten eine Zweimast Vilm ODINE aus Basel und erzählten von ihren Erlebnissen bei einem oder auch zwei Gläschen vorzüglichen Rotweins. Gegenüber auf dem Wohnmobilplatz ging es ähnlich zu. Das fahrende Volk unter sich. Ich denke wir sind vergleichbar, nur unser Fortbewegungsmittel unterscheiden uns. Das erfolgreiche Berufsleben hinter sich gelassen werden nun Träume verwirklicht. Die Kompromisse brauchen vielleicht nur mit dem Lebenspartner eingegangen werden. Wie schön, dass ich dies erleben darf.

Erneuter Starkwind hielt mich in Hörvigs fest, der zu einer Wanderung im Naturschutzgebiet Listershuvud animierte. Eindrucksvolle 55 Meter hohe Steinwälle aus Rollsteinen , die die Eiszeit dort hinterlassen hat, eröffneten mir den Blick zurück nach Bornholm. Bis bald Dänemark.

Aber jetzt bin ich in Schweden angekommen und das kann ich riechen und auch in meinem Beinmuskeln spüren, da die Wanderwege nur aus glatten , dicken Steine mit Bäumen und Blaubeersträucher dazwischen bestehen.

Seit Bornholm werde ich gelegentlich von kleinen, patschig wirkenden und immer in Pärchen fliegenden Vögel umkreist. Sie sind sehr flink bei ihrem schnellen Flügelschlag. Sie haben ein schwarzes und weißes Gefieder und halten ihre Füßchen breitbeinig nach hinten. Zu niedlich und ich wüßte gerne wie sie heißen. Nur zum Fotografieren sind sie zu flink oder ich zu langsam, meine Kamera startklar zu machen. Für mich ist es immer wieder eine Freude, wenn ein Pärchen bei der Futtersuche kurz mein Boot umrundet.

So auch auf dem Weg von Hörvigs nach Sandhamn bei herrlichem Segelwetter. Stetiger halber Wind mit 3-4 Bft Stärke, unter einem halben Meter Wellenhöhe und Sonnenschein. Das ermöglichte mir in 10 Stunden in Sandhamn am Eingang des Kalmarsund zu kommen. Der Hafen,  Petra, meine Frau würde sagen: „Kannst Du vergessen“, ist der erste , den man von Bornholm kommend am Kalmarsund ansteuern kann. 

Morgens dann nichts wie weg rüber zum Weltkulturerbe südliches Öland. Die Wettervorhersage war völlig daneben. Statt mit Gennaker vor dem Wind musste ich gegen an kreuzen. Aber das schafft die APHRODITE auch ganz gut obwohl lange, meterhohe Wellen aus dem Baltikum ungehindert auf mich zu kamen. Im zweiten Leben werde ich Meteorologe. Wenn’s nicht stimmt hast du dann immer eine Ausrede und für nichts die Verantwortung. Der Rundgang im Süden Ölands brachte gegenüber 2019 keine neuen Erlebnisse, außer dass mich der Bus zur restaurierten Wikinger Burg Eketrops Borg brachte, die einen beeindruckenden Einblick in die Urzeit Ölands bietet.

Eketrops bborg

Der nette Busfahrer holte mich wieder ab und fuhr den Bus gleich in den Hafen um mich an der APHRODITE abzusetzen. Super Service kann ich nur sagen. Leinen los und durch den Sund mit achterlichen Wind nach Kalmar geschaukelt. Und da sah ich es, dass Schloß von Kalmar im Dunst immer klarer werden. Es ist geschafft. Ich habe nun mein Vorhaben zum Ende geführt, die Ostsee alleine, auf eigenem Kiel zu umrunden. Ein glückliches und erfüllendes Gefühl. Das war mir nicht nur ein Killepitsch wert. 

Und da sah ich den Zug vom Bahnhof gegenüber des Hafens abfahren, den ich vor zwei Jahren nach Hause genommen hatte. Ich hatte ja versprochen ich komme zurück.