Die Nacht brachte nur wenig Erholung, da ich auf Geräusche und den Wind achtete. Also bin ich um 4 Uhr aufgestanden, um alles vorzubereiten zur Überfahrt nach Schweden. Als ich die Route im Plotter aktivierte, kam direkt ein AIS-Alarm von Fähren. Ich hätte nicht gedacht, dass die so früh unterwegs sind, also lies ich die Viking und Silja vorbei und wartet ihren Schwell im Hafen ab. Dann los durch die schmale Ausfahrt und ich konnte es nicht Glauben, da kam die Tallink noch hinterher. Also erst einmal ostwärts aus dem Fahrwasser raus und dann durch die Wellen zum Leuchtturm, um dann kreuzend nach Westen zu segeln. Später drehte er noch etwas nordwärts und ich konnte hoch am Wind Richtung schwedische Küste anhalten. Nach acht Stunden im Sonnenschein konnte ich die Küste am Horizont ausmachen, aber auch die sehr bedrohlichen Wolken über ihr. Als ich den Leuchtturm Svartklubben backbord liegen lies um an der Insel Singö vorbei zu segeln hörte ich ihn, einen Elch röhren. Ich war sehr berührt wie mich Schweden empfing, aber das Glück währte nur sehr kurz da die Wolken nichts Gutes versprachen. Kaum in den Schären eingebogen, ging es schon los. Starkregen und Gewitterböen von 35 kn auf die Mütze. Also schnell die Fock runter und versuchen irgendwie mit Großsegel die tiefen Stellen zwischen den Insel finden und aussteuern. Es dauerte gefühlte Stunden bis sich die Lage beruhigt hatte, aber dieses Wetter sollte mich bis zum Westhafen von Grisslehamn und dann noch bis zum nächsten Abend begleiten.
Ich der Nacht legte der Wind dann noch kräftig zu und ich machte mir Sorgen um die Mooringleine, die die ganze Last aufnehmen musste. Ich stand auf und sprang in das Ölzeug um irgendetwas zu unternehmen, nur was? Da sah ich den Nachbarn mit seinem Schlauchboot eine zweite Mooringboje mit viel Aufwand zu belegen. Ich holte schnell eine lange Leine, befestigte einen Schäkel und hielt ihn hoch. Das kann nicht nur Glück oder Zufall gewesen sein, als er zu mir paddelte, um auch für mich eine zweite Boje zu belegen. Wieder einmal gerettet.
Ich machte mich dann am übernächsten Tag auf, um durch den Väddö-Kanal nach Norrtälje zu kommen. Ein natürlicher Kanal, der nur in der Mitte zwei künstlich angelegte Rinnen hat und landschaftlich äußerst reizvoll ist. Der sehr schwache achterliche Wind erfordert wieder einmal Heinis Einsatz, um die ersten 10sm zu schaffen. Mich überholten einige Segelboote, die ich aber alle an der ersten Brücke wiedertraf, wo ein freundlicher schwedischer Motosegler mir zurief, dass die Brücke erst um 11 Uhr öffnet. Also irgendwo anlegen, warten und ein Joghurt essen. Der Pulk setzte sich in Bewegung und ich hinterher. Heini musste alles geben um dranzubleiben, da die danach folgende zweite Brücke nur für diesen Konvoi öffnete.
Wieder einmal Glück gehabt, denn so unkompliziert hätte ich die telefonische Anmeldung der Brückenöffnung für mich nicht regeln können. Nur Heini war danach sehr ausser Atem, dass ich ihm eine Pause gönnte und den weitern Weg auch bei wenig Wind segelte. Die anderen Schiffe entfernten sich rasch und ich sah einen Seeadler über der Aphrodite kreisen. Ein beeindruckender Anblick, den ich schnell im Foto festhalten wollte, aber es gelang mir nicht wirklich. Der Apparat war gerade verstaut, da schoss der Seeadler ca 50m backbord voraus an die Wasseroberfläche und ergriff mit seinen Fängen einen kapitalen Barsch. Der nicht nur recht groß war, sondern auch heftig zappelte, was den Abflug für der Adler sehr erschwerte. Vielleicht habe ich mit meiner Annäherung die restlichen Kräfte in ihm mobilisiert, denn es gelang ihm seine Beute an das Ufer zu fliegen. Das war ein überwältigendes Erlebnis für mich, was mich vor Begeisterung auf die Schenkel klopfen lies.
Ich segelte mit wenig Wind und herrlichen Sonnenschein den Kanal südwärts bis zum Norrtäljesund, der nach Westen mich zu meinem mit Regenwolken verhangendes Ziel führte. Also schnell das Ölzeug an und alles an Deck für Schauerböen klarmachen. Rückwärts blickend, ärgerte mich mein Beschluss nach Norrtälje zu segeln schon, wo es ein wunderschönen hellblauen Himmel gab. Ich wurde aber bei der Ankunft fürstliche belohnt, da Jürgen mit der Christina aus Langballigau, Andreas der Münchner Kameramann von der Slisand und Silvia aus Kiel, die ihre HR 29 in Stockholm abholen wollte, herzlich begrüßt. Auch war der Abend schon verplant, da sie mich direkt zum Blueskonzert im Irischen Pub einluden.
Der Pub füllte sich schnell und die Liveauftritte der Musiker waren so richtig nach meinem Geschmack, was ich vom Guinness-Bier nicht behaupten kann. Auch auf dem Heimweg zeigte sich mir, wie ausgelassen, fröhlich und musikalisch die Schweden sind. Es waren gefühlte 10 Grad draussen, aber trotzdem spielte sich viel draußen auf den Trassen und Cafés ab. Am Rauchen kann es nicht gelegen haben, da ab dem 1.7. hier in Schweden im gesamten öffentlichen Raum ein Rauchverbot herrscht. Sehr zum Leitwesen von Jürgen und Silvia, die es irgendwie wie zu Schulzeiten heimlich hinbekommen haben. Andreas gab auf seiner Slisand nicht nur noch einen Absacker aus, sondern holte die Klampfe heraus und gab so einige Zugaben bis in die frühen Morgenstunden. Bei der Verabschiedung bedankte ich mich für den aufbauenden Abend voller tollen Geschichten, Tipps und Musik mit der Frage, die mich länger beschäftigt: „Warum mach’s du das alles hier?“ Ich beantworte die Frage auch gleich selber: „Auch für so schöne Treffen wie diesem!“ Und bekam große Zustimmung von den erfahrenen Einhandsegler und -innen.
Der Aufbruch nahte am Morgen und nach einer herzlichen Verabschiedung segelte ich bei trüben und sehr böigem Wetter nach Osten den Norrtäljesund zurück. Am Ausgang des Sunds wurde der Wind schon sehr anstrengend und es trübte sich zusehends ein. Unter diesen Bedingungen war das Anlegen im nächstgelegenen Hafen unmöglich, da Heini es nicht schaffte die Aphrodite gegen den Wind an den Steg zu bekommen. Daher verkroch ich mich hinter einer Insel und segelte solange auf und ab, bis die Sicht die Tonnensuche wieder ermöglichte, um nach Süden zum kleinen, verträumten Hafen Kappelskärs zu kommen. Die Einfahrt ist sehr schmal aber so langsam gewöhnte ich mich daran. Die Stege gehören zu einem Campingplatz, der knapp einen Kilometer entfernt liegt. Das sollte jeder bei der Morgentoilette dringlichst berücksichtigen, damit nichts in das Höschen geht. Die Sanitäranlagen waren aber Spitzenklasse und empfehlenswert. Mir half ein deutsches Ehepaar aus Lüdenscheid beim Anlegen, da die Schweden erst angesprochen werden wollen ehe sie helfen, vermute ich mal. Es war auch ein schöner Abend am Bord der Gedöns mit vielen Geschichten vom Biggesee und der restlichen Welt.
Am folgenden Morgen war es immer noch sehr bedeckt und windig, aber der Weg zum nächsten Ziel Furusund war nicht weit. Er hat sich aber gelohnt, da wieder eine tolle Sauna auf mich wartete. Durch den schmalen Sund, förmlich an meinem Heck vorbei, zogen dann wieder die bekannten Fähren von und nach Finnland. Für den Weg nach Ingmarsö wählte ich aber den Nachbarsund, um ungestört mit achterlichen Wind und bei schönsten Sonnenschein nach Süden zu kommen. Obwohl der Wind noch recht kühl war und die Wassertemperatur so um 16 Grad lag, scheuten es die Schweden nicht in Badekleidung herumzuliegen und schwimmen zu gehen. Für sie ist jetzt richtig Sommer und Semester, so nennen Schweden ihren Urlaub.
Die vielen Tipps von romantischen und einsamen Ankerbuchten bin ich nicht gefolgt. Zum Einen ist mir das Wasser zu kalt, um an Land zu schwimmen und zum Anderen habe ich ein ungutes Gefühlt die Aphrodite alleine vor Anker
zurückzulassen. Zum Liegen am Felsen mit akrobatischen Einlagen zum Befestigen der Leine an Land bin ich einfach zu Bange, da ich auch keine Hilfe bei der Ausschau auf Unterwasserfelsen habe. Da nehme ich die recht teuren Hafengebühren, hier zum Beispiel 36€, gerne in Kauf, obwohl ich für das Geld in Riga in einem Hotel übernachtet hatte. Und ich muss ja auch zugeben, ein bisschen bin ich ja Spanner und möchte doch einmal sehen und höheren was Land und Leute so bewegt. Was man heute so trägt oder wer mit wem da ein Techtelmechtels hat. Das Quatschen am Steg, natürlich am liebsten in Deutsch, darauf möchte ich ebensowenig verzichten. Wenn ich den ganzen Tag schon alleine an Bord bin, will ich nicht auch noch den Abend einsam in einer Ankerbucht verbringen. Das könnt ihr doch wohl nachvollziehen, die die mir die tollen Tipps gegeben haben – sorry.
Je näher ich nach Stockholm komme, umso zusehends voller wird es, da nicht nur Schweden sondern auch Finnen gerne ihren Urlaub hier verbringen.
Ach, und die 1500 Seemeilenmarke (für nicht Seemänner oder Frauen ca. 2800 Km) habe ich geknackt und nur noch ein Land, nämlich Dänemark liegt vor mir.
Student möchte ich gerne in Schweden sein, denn dann darf ich auch Hafenmeister sein. Alle Saisonarbeitsplätze, sei es Hafenmeister, Tankwart, Brötchen- oder Eisverkäufer, aber auch Reinigungskraft und Müllfrau, werden von jungen Studenten ausgeführt, die zum Teil auch auf den Inseln für die Zeit wohnen dürfen. Jedenfalls läuft hier alles ruhig und sehr freundlich ab. Wer kann schon ein verlegen lächelndes blondes Mädchen etwas übel nehmen, wenn es nicht auf Anhieb funktioniert hat. Ich jedenfalls nicht.
Der Weg zum nächsten Hafen Waxholm war wieder von schönen Ufern, Tonnensuchen, Steinen ausweichen, Seilfähren passieren und dem Kreuzen des Hauptwasserweg nach Stockholm mit entsprechenden Schifffahrtsverkehr geprägt. Das Hafenhandbuch sprach von beliebten und vollen Hafen mit Schwell. Ich bekam noch eine Box, die wie auf einem Präsentierteller die Aphrodite den vorbeiziehen Touristen zeigte und einige zu Kommentare und Fragen an mich animierten. Ich habe es ja so gewollt sagte ich mir und verschüttet den Kaffee bedingt durch den Schwell der Autofähren und Ausflugsschiffe.
Ein Vater versuchte sein schreiendes Baby durch hin und her schieben des Kinderwagens am Steg zu Ruhe zu bringen. Es gelang nur so lange, bis das Dampfschiff durch lautes Tut-tut-tut ihre Rückwärtsfahrt ankündigte. Pech gehabt – die Mutter und ich sahen uns an und mussten lächeln.
Dann kamen die älteren Finnen mit Einkaufswagen über den Steg zu ihren Schiffen, woraus es nicht laut schrie, aber es sah doch hochprozentig aus, da die Systembolaget (so nennen die Schweden ihre wie eine Apotheke aufgemachten Schapsläden) nicht weit war.
Am folgenden Tag erkundete ich die Stadt und musste in die Kirche, da ein Plakat zu einem Klavierkonzert einlud.
Für mich sehr befremdlich begann das Konzert mit dem 19Uhr-Glockengeläut über die Lautsprecheranlage des Gotteshauses. Eine junge Schwedin gab klassische Stücke zum Besten und dies, wenn ich dies beurteilen darf, auch recht gut. Sie hat mich damit schon gefesselt, was mir ein Aufstehen und Flüchten nicht möglich machte. Eine neue und interessante Erfahrung, die ich in Zukunft wahrscheinlich mehr ausprägen werde.
Am nächsten Morgen weckt mich die
Sonne, aber ich vernahm keine Geräusche von der Takelage, also Null Wind. Trotzdem wollte ich weiter und wenn es Heinis Tag werden sollte. Der wollte aber nicht anspringen, obwohl ich die Zündkerze am Vortag noch inspiziert hatte. Also Fehlersuche – die Zündkerze war in Ordnung, aber nicht nass, daher vermutete ich Benzinmangel. Da ich vorsorglich in Helsinki einen Benzinfilter gekauft hatte, kam er nun zum Einsatz. Trotzdem kein Anspringen obwohl ich Benzin vom Tank in den Vergaser gepumpt hatte. Da kam mir die Idee auf den internen Tank umzuschaltenden und flups sprang Heini an, also keine Arbeitsverweigerung sondern wie sagt man: “ohne Moos nichts los“. Nur kam ich mit dem internen Tank nicht zum Zielhafen Bullandö, also schütteln des externen Tanks und pumpen, und dann ging es. Den Fehler habe ich nicht gefunden, aber Heini schnurrt wie ein Kätzen und schaffte es bis nach Bullandö.
Das ist der größte schwedische Hafen und einer der ganz Großen im Ostseeraum – wie wahr. Ich konnte nur an dem Gästesteg festmachen, wo aber die Urlauber von ihren Urlaubsinselchen zum Mittagessen gekommen waren. Blöde Zeit von mit gewählt. Nun lag ich nicht am, sonder unmittelbar auf dem Präsentierteller.
Aber die Sauna entschädigte für alles und war die Wucht. Im Halbkreis sitzend, in der Mitte der Saunaofen und durch die bis zum Boden reichenden Scheiben das Treiben im Hafenbecken zu beobachten. Das hatte was, auch die Abkühlung auf der Terrasse war nicht schlecht. Keine Angst, ich nutzte die „Familienzeit“ und da laufen alle mit einem Handtuch bekleidet herum.
Den ganzen Tag ärgerten mich das Flitzen der Motorboote mit dem entsprechenden Schwell und die Schaukelei bei mir, aber wie ich hier so saß, mit Blick auf die Tankstelle, war es mir ein innerer „Reichs-Parteitag“ die Zapfsäule rattern zu höheren, als Lohn für die Raserei. Und schon heulte blubbern der V8- Chevroletmotor wieder zu neuen Untaten auf. Die Schweden scheinen alle reich zu sein, jedenfalls die hier Semester machen.
Abends spielte dann förmlich vor meinem Bug ein Duo, bestehend aus Gitarre und Trompete, Jazzklassiker und eigene Kompositionen. Ich wurde von den Gästen im Restaurant erschrocken angeschaut, als ich begeisternd klatschte und Zugabe rief. Schon wieder als Deutscher aufgefallen, denn die Schweden sind da schon ein wenig reservierter, wenn der Alkohol noch nicht ganz verköstigt wurde.
Die Sonne gab ihr bestes am nächsten Tag und ich segelte ganz leise los, obwohl der Wind nicht der Brüller war. Zuerst kam er von Nordwest, dann von Norden, also Gennaker klar machen und hoch damit. Später drehte er nach Osten um dann kräftig von Südost zu blasen. Also fast alles dabei, um nach Dalarö zu kommen. Da trieb vor mir ein Ball oder ähnliches im Wasser, aber bewegte sich komischerweise nicht. Als ich näher kam sahen mich zwei schwarze Augen mit einem darunterlegenden kräftiger Schnauzbart an. Eine Robbe sah mich so intensiv an, als wollte sie ein Leckerli von mir haben. Da ich nur Tunfischdosen anbieten konnte, tauche sie enttäuscht wieder unter. Schade eigentlich.
Hätte ich vorher gewusst wie beliebt dieser Hafen Dalarö ist, da er ein günstiger Absprungpunkt von Süden nach Stockholm ist, wäre ich nicht so unbekümmert mit der Zeit umgegangen. Ich bekam, aber nur weil die Aphrodite so schmale Hüften hat, den vorletzten Liegeplatz um 14:30 Uhr.
Da am Folgetag Regen und Gewitter angesagt war, sicherte ich mir gleich für zwei Tage den guten Liegeplatz. Dalarö ist ein gemütlicher Ort mit netten Holzhäusern und vielen Kinderspielplätzen.
Aber hier sind schon „Berge“ im Gegensatz zu Finnland, was den Einkauf von Wasserflaschen schon erschwerte, aber auch die Wildkirschen und Blaubeeren am Wegesrand. Es kamen immer wieder Jachten in den Hafen, um dann aber doch ohne Liegemöglichkeit enttäuscht wieder wegzufahren. Ich muss mir in Zukunft dringend Alternativen in den Plotter eingeben, denn bis jetzt war ich immer der Meinung, dass ich schon ein Plätzchen finden werde.
Ins China-Restaurant bin ich dann doch nicht gegangen, da ich die Mitarbeiterin mit der Angel im Hafenbecken beobachten konnte, wie sie eine Vielzahl kleiner Fische fing. Da ist mir doch der Appetit etwas vergangen.
In Schweden ist das Bargeld fast überflüssig, da auch Kleinstbeträge mit der Karte bezahlt werden. In machen Hafenbüros steht ein Schild, wonach kein Bargeld angenommen wird. Auch die nette Brötchenverkäuferin mit ihrem stilvollen Wägelchen hielt mir morgens am Steg das Scheckkartenterminal zum Bezahlen unter die Nase. Eigentlich ist es dadurch ja sehr leicht die Aufenthaltsorte und die persönlichen Vorlieben der Menschen nachzuvollziehen. Was mich bis jetzt aber noch sehr beschäftigt, ist das Bezahlen in Waxholm. Danach bekam ich eine Quittung als e-mail zugeschickt, obwohl ich keinerlei persönlichen Daten preisgegeben hatte. Das war schon sehr befremdlich für mich und wirft bei mir die Frage auf: Wie kommen die an meine e-mail Adresse? Meine vorläufige Erklärung ist, dass es eine zentrale Datenbank geben muss, wo EC-Kartendaten mit weiteren persönlichen Daten verknüpf werden. In Deutschland wäre dies so nicht möglich, also „Augen auf bei der Urlaubslandwahl“.
Hoch am Wind und mit für mich günstigen Winddrehern kam ich ohne Kreuzschlag zur Insel Utö. Nicht nur die Einfahrt in die Bucht, sondern auch das Anlegen mit eigenem Heckanker war schon spannend, aber alles war gut ausgegangen. Ich blickte aus der Plicht auf das Treiben bei den kleinen hölzernen Verkaufshütten und dem gigantischen Kinderspielplatz mit ausrangierten Booten und Treckern. Vor mir der Steg am Schilf und dahinter ein Kiefernwald animierten mich sofort im kleinen ICA-Laden das mir bekannte Djungelolja gegen Mücken zu erwerben. Zu recht wie sich am Abend herausstellte.
Wie ich aus einer Broschüre von Touristenhüttchen übersetzten konnte, war Utö die Wiege unseres heutigen Elektroautowahns.
„Um 1150 wurde Eisenerz im Norden der Insel entdeckt, etwa drei Kilometer nordöstlich des heutigen Hauptortes bei der heutigen Ansiedlung Gruvbyggan. Der erste schriftliche Beleg für Bergwerke auf der Insel stammt aus dem Jahr 1607. 1624 waren neun Bergwerke in Betrieb. Das Element Lithium wurde zuerst in einer Gesteinsprobe von Utö entdeckt.“
Heute wird hier nichts mehr abgebaut, dafür wird aber unter gigantischen Umweltschäden Chile und ihre Nachbarstaaten umgegraben, um das Lithium für die Batterien unserer sauberen Luft zu fördern. Entschuldigung, aber daran musste ich sofort denken, als ich die nun schön anzusehenden Abbaugruben hier sah.
Die Insel ist ein Juwel. Daher bleib ich um einen Spaziergang durch das nördliche Naturschutzgebiet zu machen. Spaziergang ist wohl nicht die treffende Bezeichnung für ein Naturpfad über Stock und Stein, oder bester Felsen und Sümpfe. Er war sehr anstrengend, aber es hat sich wahrlich gelohnt.
Ich traute mir nun schon Kurse abseits der betonten Routen zu und so kam ich auch ohne Felskontakt in Nynäshamn unter Segeln an. Ein großer Hafen mit allem was das Touristenherz so begehrt. Nur das Abends gleich aus zwei Kneipen am Ufer die Lifebands um die Wette spielten und ein Gemisch aus Bon Jovi mit lauthalsigem Mitsang der angetrunken Gäste und Country-Blues mit einem inbrünstig intonierenden Mundharmonikaspieler an meine Ohren drang empfand ich schon als Quälerei. Dafür lag eine Hightech Dehler 42 neben mir, die ich leider nur von ganz unter aus meiner Plicht bestaunen konnte, mir aber im Geiste wünschte auch einmal sowas zu segeln.
Obwohl nur mäßiger Südwind mit Sonnenschein angesagt war, war es eine Herausforderung für mich nicht mit Motor durch die Schärenroute, sondern gegen den Wind kreuzend außen um die Insel Öja zum Naturhafen zu kommen. Nur dumm von mir gedacht, da in dem kleinen Hafen schon alle Liegeplätze am frühen Nachmittag belegt waren. Ich hatte in der erreichbaren Nähe keine Alternative, so fuhr ich ratlos in der Bucht herum. Da winkte mir ein junger Mann zu und gab mir auf Schwedisch zu verstehen, dass ich mich gleich dazwischen quetschen kann, da ein Motorbötchen ablegten wird. Es war schon sehr kuschelig und die quietschenden Fender gaben keinen erholsamen Schlaf, aber ich hatte trotzdem wieder einmal viel Glück gehabt, da noch unzählige Jachten unverrichteter Dinge abdrehen mussten.
Mangels nahen Häfen musste ich es am folgenden Tag nach Oxelösund schaffen. Frei segeln oder „Tonnen suchen“ durch die Schären? Die Entscheidung fiel aufs Segeln, da ich mir nun die Navigation gut zutraute. Ich markierte mir die Felsen unter der Wasseroberfläche auf dem Potter, um bei Kreuzschlägen nicht aufzulaufen. Der lange Schlag zum Süden konnte ich aber ohne Kreuzen anlegen und gab Minna auch einmal die Gelegenheit ihr Können zu beweisen. Hat sie Super hinbekommen, nur musste ich dann wieder die Pinne übernehmen, da ich durch den Wellengang schon ein flaues Gefühl in der Magengegend aufkeimen spürte.
Dann mit halben Wind am Rand des Fahrwassers nach Norrköping segeln brachte Spannung, da ein Schlepper und zwei Frachter mich aufs Korn nahmen. Der letzte leere Frachter hätte mich mit seinem Schraubenwasser bald versenkt. Da sowieso schon eine ein Meter Welle zu bewältigen war, merke ich zu spät die anrollende Brandung und schwups saß ich in der Plicht mit dem Po im Wasser und hatte Glück, dass sie nicht bis in die Kajüte durchrauschte. Zum Ende noch eine Stunde mit achterlichen Wind mit nasser Unterhose auf der Welle surfen und da sah ich die schreckliche Industriestadt Öxelösund. Beim Näherkommen zeigte sich der Kontrast zwischen dem gewohnten Schärenbild auf der einen Seite und gegenüber der Industriehafen. Der Südwind stand mit Welle noch im Hafen und schaukelte die Aphrodite ganz schön durch. Da sah ich eine HR29 die nicht den empfohlenen Weg rechts um den Felsen nahm, sondern mit unangenehmer Geräuschentwicklung links auflief. Aber alles noch einmal gut gegangen und ich konnte Silvia aus Kiel mit ihrer „neuen“ noch namenlosen HR 29 am Steg begrüßen. Sie zeigen mir auch nicht ohne Stolz am Abend bei einem Gläschen Wein ihre Hallberg Rassy 29 und die neuerworbenen Sofakissen – Frauen ebend. Ein tolles Schiff, was ich neidvoll zugeben musste und meldete mich direkt an, wenn sie es verkaufen will.
Am Vormittag war noch kein Regen angesagt und ich nutze die Gelegenheit ein „Kesselchen Buntes“ aufzusetzen und einmal die Kajüte auf links zu drehen, um Großreine zu machen. Der Flensburger neben mir meint nur trocken: Kommt bei dir ne´ Kontrolle? Wie recht er hatte, da ich Petra zum Urlaubmachen erwartete.
Die Entscheidung den Nordteil der Ostsee auszulassen, um es ruhiger angehen zu lassen habe ich nicht bereut. Jetzt merke ich wie wohl ich mich fühle und vieles entspannter und aufmerksamer Wahrnehmen kann. Der Stress um Wetter, Welle, Entfernung, Fitness und Kurse ist abgefallen – vorerst, denn ich möchte ja noch zurück kommen.
Am Abend bekam ich nicht nur ein schönes Foto zugeschickt, sondern auch ein Anruf von der Keto und der Elements, die aus St. Petersburg zurück in Finnland angekommen waren. Es hatte mich sehr gefreut zu hören, dass die zweite Ein- und Ausreise nach Russland mit Paule gut geklappt hatte und alle Wohlauf sind.
Ja, dann war wiedereinmal Abschied angesagt, da Silvia nach Helsingborg will, die Flensburger in die Stockholmer Schären und ich nach Nyköping, um Petra vom Flieger abzuholen. Also los bei bedecktem Himmel, wie die Stimmung beim Auseinandergehen. Aber man sieht sich ja immer zweimal im Leben. Moment, Silvia habe ich schon zum zweiten Mal verabschiedet – Mist.
Aber zu meiner Freude sah ich wieder ein Seeadler, da in der Umgebung der Industriestadt Öxelösund dies nicht zu erwarten war, wiegte es doppelt auf.
Als ich dann endlich unter Motor nach anderthalb Stunden Fahrt durch die schmale ausgebaggerte Fahrrinne in Nyköping ankam, sah ich in der Ferne ein Flugzeug landen, aber ich hatte ja noch ein Tag Zeit die Aphrodite auch von außen auf Vordermann zu bringen. Dann bekam ich unmittelbar nach dem Bezahlen der Liegegebühr mit der EC-Karte eine SMS mit dem Zugangcode der Türen zugeschickt. Also es geht noch krasser mit dem Umgang des Datengeheimnis in Schweden.
Nyköping ist eine schöne und überschaubare Stadt, die sich für Deutsche als Crewwechselsstandort wegen des nahen Flughafen der Ryanair anbietet. Daher waren auch deutsche Schiffe in dem Gasthafen in der Überzahl. Der Weg zum Busbahnhof oder Lidl ist etwas über einen Kilometer lang, aber an der Hafenmole sind preiswerte Restaurants und am Flüsschen mit Festung und alter Brauerei lässt sich gut flanieren.
Und dann brachte mir endlich mit drei Stunden Verspätung das Flugzeug meine Frau Petra nach Schweden, die die Sonne mit Wärme mitbrachte.
Nach einem 20 sm langen Tagesausflug durch den Schärengarten hieß es Abschied nehmen von der Aphrodite und mit dem Bus nach Rönninge zu fahren, um gemeinsam Urlaub und für mich „Urlaub im Urlaub“ zu machen. Schlafen in einem nicht schaukelnden, weichen Bett – aber das ist eine ganz andere Geschichte.