4- von Rügenwalde nach Hel

Nach der Ausfahrt in Kolberg habe ich den Gennaker ausgerollt und los ging es nach Rügenwalde. Ich „surfte“ auf den Wellen mit optimalem Kurs. 8,8 Knoten war mein Highscore. Irgendwann wurde der Tag doch schon lang und es stellten sich Ermüdungserscheinungen ein. Aber der Adrenalinspiegel schnellt in die Höhe, als ich die brechnen Wellen in der Hafeneinfahrt von Rügenwalde sah. Mit Außenborder war da nichts zu machen. Also blieb nur reinsegeln und im Vorhafenbecken  hoffen, dass der Außenborder anspringt. Er tat es und seitdem heißt er nun HEINI bei mir. Klein, tut was ich ihm sage, ohne Murren und dumme Kommentare. Im Nachhinein dachte ich schon an den Film „Verschollen“ mit Tom Hanks, aber so weit ist es noch nicht, dass ich mit Heini längere Gespräche führe. Der Handschuh hat nur praktische Gründe, da das Gummi der Pinne sich am Heck abrubbelt – Ehrlich! 


Die Brücke wurde geöffnet und ab in das nahe Hafenbecken, wo mich der Hafenmeister schon empfing und die Vorderleine annahm. Nur das Belegen an der Klampe sollte er noch einmal üben. An den umsäumenden Kais liegen Fischerboote, die nun Hobbyangler auf die Ostsee hinausfahren. Es muss schon ein guter Fang gewesen sein, nach den lauten Gesprächen mit ordentliche geölter Kehle. Dass dies auch schon um 5 Uhr morgens beim Auslaufen dann so weiter ging, damit hatte ich nicht gerechnet. Da ich sowieso die 7-Uhr-Öffnung der Brücke nicht verpassen wollte, da es mit über 50 sm ein langer Tag sein würde, störte es mich nicht sonderlich. Dann sah ich die Keto vor mir in der Einfahrt auf den Wellen tanzen. Mist was mache ich. Na, segeln, obwohl der Wind genau von vorn kam. Das gereffte Großsegel gesetzt und im Vorhafen einen Probeschlag und dann mit viel Mut auf die Backbordmole zu, in der Welle eine Wende und die Wellen nach Steuerbord hinauf gesegelt. Als ich im ruhigem Wasser war, musst ich gestehen „Man, war das geil!“ gerufen zu haben. Es konnte auch sicher an dem wunderbar geschnitten Foliensegel von North Sails gelegen haben. Fock gesetzt und erstmal hoch am Wind zum ersten polnischen Sperrgebiet.

Sonntags wird nicht geschossen, hieß es. Mal sehen. Denn danach ging es mit nicht ganz optimalen Gennakerkurs an der Küste entlang, also ein nicht zu übersehenes Ziel für das polnische Militär. Die Wellen waren schon ungewohnt hoch und der Wind wurde mit 10 Knoten weniger, was zur Folge hatte, dass der Gennaker gelegentlich einfiel. Trotzdem habe ich den Highscore auf 9 kn angehoben. Es war sehr anstrengend und als noch eine Patenthalse mir den Baum an den Kopf schlug, war ich soweit, mein Vorhaben ernsthaft in Frage  zu stellen. Aber trotzdem habe ich es geschafft in den geschützten Hafen von Leba zu kommen. 
Da ich nun keine Lust mehr aufs Kochen hatte, wollte ich ein Restaurant aufsuchen. Außer einer Pizzeria war alles zugenagelt und wartet auf den Sommer. In der Pizzeria war ein Tisch mit einem Pärchen meines Alters belegt. Ich nahm schweigend am Nachbartisch platz. Sie waren Deutsche und haben sich überwiegend gestritten, verletzende Worte ausgewechselt oder gemeinsam über das Essen hergezogen. Ich dache mir, warum vergeuden wir unsere begrenzte Lebenszeit mit so unschönen Dingen im Leben. Sollten wir uns nicht mehr auf die Freude und das partnerschaftliche Miteinander konzentrieren, anstatt sie mit Streit und Ärger zu vergeuden. Ich habe mir daraufhin fest  vorgenommen, bewusster und freundlicher den Umgang mit Menschen zu pflegen. Daran erinnert mich nun eine Pizzeria in Leba. 

Der Strand von Leba

Das wurde ein langer Aufenthalt in Leba, da der stärker werdende Nordostwind die Wellen auf die Mündung der Leba drückte und dadurch ein unüberbrückbares Hindernis für die Aphrodite darstellte. Auch schreckte mich der Ruderbruch meiner Stegnachbarn mit der Elements, die von der Rettungswacht spektakulär wieder in den Hafen zurückgeschleppt wurden, zurück. Am Abend las Sven noch einmal die Tageslosung aus der Bibel vor und ich musste zugeben, die passte sehr genau auf ihr Erlebnis.
Aber es ergab sich eine Möglichkeit zum Sonnenaufgang am Samstag. Die laut diskutierenden Angler im Nachbarboot halfen mir um kurz nach drei Uhr aufzustehen. Dann ging’s los, erst mit zu wenig Wind, aber tollen Sonnenaufgang, 

danach kam Nebel, Wind von Nordost und später gesellte sich noch ergiebiger Regen dazu. So gefroren habe ich Mitte Mai noch nie.

Es wurden über 40 sm draus und die Distanz nach Hel hätte ich körperlich nicht mehr geschafft. So lief ich den Hafen von Wladyskawowo an, vor dem alle Hafenhandbücher warnen. Und sie haben recht behalten, so ein dreckiger Hafen mit grenzwertigem Klohaus und einer hässlichen Innenstadt, wo es wohl im Sommer im Freizeitpark richtig abgehen soll, habe ich bis jetzt noch nicht erlebt. Daher ging es am nächsten Tag zeitig zusammen mit der Keto ab Richtung Hel. Der mäßige Wind von vorn bescherte einen gemütlichen Segeltag zum Ausgleich des vergangenen Tages und ein Fotoshootings mit der Aphrodite.

Hel war mir schon bekannt und daher wußte ich auch wo es den leckersten Fisch gibt. Der Abend klang mit einer Flasche Primitivo im Salon der Keto aus und nach einer erholsamen Nacht kam das böse Erwachen, da das futuristische Sanitärgebäude nur von 17-20 Uhr geöffnet hat. Ich bin ja auch Camper, so nahm ich das IPhone zu Hand und  schnell den nächsten Campingplatz rausgesucht. Nach einem kleinen Morgenspaziergang fand ich ihn unweit des Strandes. Das Schimpfen über den schlechten Hafenservice hatte den Platzwart zum Mitleid veranlasst und er überließ mir kostenfrei einen Einzelwaschraum. Noch einmal Danke für die Rettung an ihn, denn es war schon sehr nötig, und damit meinte ich nicht nur das Duschen.