Meine Abreise von Visby war genauestens geplant. Das Wetter stimmte; der Fahrplan der Gotlandfähre war gecheckt; Essen, Kaffee und Kleidung griffbereit; geduscht und die Hafenkarte in den Tresor gelegt. Um 5:15 Uhr die Leinen los und ab ging es. Da die Fähre erst um 6 Uhr ablegt war Platz, um im Hafenbecken schon die Segel zu setzen, aber dann sah ich vor dem Hafen ein Ungetüm von Schiff.
Es war laut AIS die Aidasol, die auch einmal nach Gotland wollte. Ich sah wie ein Lotse an Bord gebracht wurde, daher rechnete ich mir aus, dass die Aidasol erst nach dem Ablegen der Gotlandfähre in den Hafen darf. Puh, Glück gehabt, denn das wäre schief gegangen. Die Überfahrt nach Öland war recht unspektakulär, da kaum ein anderes Schiff sich blicken lies. Auch hier sah ich keine Wasserfläche, die nicht mit grünen Schwebealgen belegt war. Vor zwei Jahren waren es nur einzelne Teppiche, nun habe ich kaum eine Fläche ohne Algen gesehen. Ich finde es beängstigend.
Im Hafen von Byxelkrok war es übervoll. Wo kamen die Segler alle her. Gut, dass die APHRODITE so schmale Hüften hat und so konnte ich mich zwischen zwei schwedische Boote quetschen.
Am folgenden Tag rüber nach Oskarshamn, da ich die Stadt noch nicht kannte. Na, sie wird auch nicht in meine Top Ten aufgenommen, denn außer eine sehr schöne Kirche in mitten eines nett angelegten Park, ist alles recht eintönig und unpersönlich.
Abends konnte ich den kontrollierenden Hafenmeister mit einer Dose kaltem Veltins überreden, dass ich den Liegeplatz quer am Anleger bis zum Morgen behalten darf.
Die Wetterfrösche sagten Nordwest 3-4 Bft mit 40 cm Wellenhöhe voraus, aber es wurde ein 4-5 Bft mit über einem Meter Welle. Ich bekam schon etwas Angst vor den Bedingungen, aber auch Spaß dabei die APHRODITE auf den Wellen surfen zu lassen. So war ich sehr schnell in Borgholm und hatte eine Spitzengeschwindigkeit von 9,6 Knoten erreicht. Kaum zu glauben für eine International 806. Da ich den Hafen kannte schoss ich unter Segel in das Hafenbecken rein, um dort die Segel zu bergen. Ein Berliner sah mich und half mir anzulegen, nicht ohne mich für diese Aktion zu loben.
Ich schlendere durch die Einkaufsstraße von Borgholm und da tippt mir jemand auf die Schulter und rief „Olaf du hier“.
Es war Sylvia, die ich aus meinem Törn 2019 kenne und eigentlich wollte ich ihr Boot eine HR29 kaufen. Sie hat sich noch mehrmals entschuldigt, dass sie beim Verkauf nicht an mich gedacht hat. Sie segelte bei einem Bekannten in Richtung Stockholm mit und war von Sandvik mit dem Bus da, ansonsten hätte es aber eine Party an Bord gegeben. Wenn man einmal mit dem Schwedenschärenvirus infiziert ist, dann kommt man nicht mehr davon los.
So kam es, dass ich Abends einsam in meiner Koje lag. Der Wind heulte ordentlich und lies das Schiff hart in die Festmacher drücken, die unmissverständlich den Impuls an mich weitergaben. Der Regen prasselte auf die Persinning und hinterließ ein Gefühl des Ausgeliefertseins. Ja, dass ist die Freiheit, auch dieses schön zu finden. Ich möchte es nicht mehr missen.
Am folgenden Tag musste erst einmal eingekauft und Sprit für HEINI besorgt werden, aber dann wurden die Wanderschuhe angezogen und es ging durch das Naturschutzgebiet zum königlichen Schloss und auf die Festung.
Obwohl die königliche Familie hier wie jedes Jahr ihre Sommerferien verbringt, bekam ich keine Audienz und musste mich mit einem leckeren Stück Mandelkuchen begnügen. Trotzdem ist der Schlosspark zu beabsichtigen und sehr lohnenswert. Hätte ich nicht mein Taschenmesser im Rucksack gehabt, wäre ich auch nicht von einer hübschen Schwedin auf andere Waffen untersucht worden. Das sagte mir: Die königliche Familie ist anwesend gewesen.
An Kalmar im Nieselregen vorbei, um in den kleinen Hafen Ekenäs zu kommen. Ich würde ihn als „Vereinshafen mit Familienanschluss“ titulieren und ist der erste, bei dem nur Bargeld geht. Da ich keine schwedische Kronen hatte, legte ich einen 20€-Schein in den Umschlag. Am Abend kam dann der Hafenmeister vorbei, sagte es ist zu viel und gab mir vier 5 Kronen Stücke zurück. Die könnte ich auch verduschen riet er mir. Na, so schmutzig war ich ja nicht, oder doch?
Es ist so erquickend morgens um 7 Uhr bei Sonnenschein in die Fluten zu springen, um sich richtig wach zu machen und sich körperlich auszupowern. Nur mit einem flüchtigen Blick von den beiden Mädchen gewürdigt, die mit dem Fahrrad kamen, um sich zum Reden auf die Bank zu setzen. Oder nur um auf den Kalmarsund zu schauen? Richtig, nicht per Social Media sondern face to face. Das gibt es in Schweden auch. Erst jetzt fiel es mir auf, wie ich das wöchentliche Schwimmen am Röttgen in der Coronazeit vermisst habe.
Auf dem Abschnitt zum sehr romantischen Häfchen Kristiansopel mit achterlichen Wind kamen mir sehr viele Schiffe entgegen. Nur nach Süden, in meine Richtung, war ich fast alleine unterwegs. Ich nehme einmal an, dass nicht nur in Schweden sondern auch in Dänemark und Deutschland die Sommerferien begonnen hatten. Auch im Hafen wurde es voll. Gut, dass ich so früh losgesegelt bin.
Am späten Nachmittag war ich einem Tipp von dem Schweizer Seglerehepaar aus Hörvigk gefolgt und im Kristanopels Gästgiveri speisen. Ein solchen Hochgenuss in einem wunderschönen Garten zu erleben war ein Highlight auf dieser Tour. Sehr zu empfehlen und ein Muss wenn man zufällig in Kristianopel ist.
Zum Thema früh los. Wenn ihr meint, so ein Segeltoern ist ein entspannter Urlaub, da muss ich euch enttäuschen. Das fängt meistens in der Nacht an, wenn um 4 Uhr die Wetterdaten aktualisiert werden. Schnell noch einmal reinschauen, ob die geplante Route so hinhaut, oder etwas geändert werden muss. Dann hört man die Nachbarn im Hafen schon gegen 5 Uhr ablegen und achtet auf die, durch den Wind klappernde Fallen. An entspanntes Schlafen ist dann nicht mehr zu denken. Dafür geht man sehr zeitig abends in die Koje. Dann will man zum Waschraum und dann das – Seenebel. Da könnte ich mich direkt wieder hinlegen, denn unter diesen Bedingungen abzulegen ist sehr Verantwortungslos. Also wird heute ein Frühstücksei gekocht, ist ja Sonntag.
So gegen 9 Uhr hatte sich der Nebel verzogen und im Hafen wurden die Motoren gestartet und es wurde abgelegt. So auch ich und bei schönstem Segelwetter ging es mit Kurs auf die Schären vor Karlskrona. Nach kaum zwei Stunden war der Spaß vorbei. Zuerst schlief der Wind ein und dann kam der Nebel zurück.
Schrecklich mit Motorgetucker über 3 Stunden im Nebel zu stochern. Ich hatte meinen Kurs durch das enge Fahrwasser der Schären schon abgeschrieben, als Land in Sicht kam und die Sonne und der Wind den Nebel vertrieb. Toll, aber ein sehr ungutes Gefühl blieb, da nach meinen Seekarten die Tiefe in der äußerst engen Rinne nicht angegeben war. Da sah ich auf den Plotter ein AIS von einer deutschen Jacht, die wohl gerade das Fahrwasser verlassen hatte. Also Funkgerät zur Hand und nachgefragt. Bingo ist tief genug für mich. Dann ging es los. Eine romantische Reise durch die Schären nach Karlskrona, aber natürlich hoch konzentriert auf den Kurs, Tonnen und Tiefenmesser, aber zum Schluss noch unter Segel.
Im Stadthafen wurde ich mit wildem Gekreische empfangen. Konnte aber auch sein, dass es mit der Kirmes zu tun hatte, die am Ufer aufgebaut war. Trotzdem eine tolle Marina, preiswert, nah am Zentrum und Sauna im Preis inbegriffen, die ich selbstverständlich nach diesem Tag besuchen musste.
Der folgende Tag war ganz dem Erkunden von Karlskrona gewidmet. Es ist eine typische schwedische mittelgroße Stadt, wo alt und neu nicht immer harmoniert. Die Frederikskirche am großen Platz musste ich besuchen. Da war gerade der Küster damit beschäftigt die Blumen für die bevorstehende Hochzeit aufzubauen und die Mikrofonanlage einzupegeln. Da musste natürlich ein Schwätzchen und Erfahrungsaustausch unter Kollegen stattfinden. Er erklärte mir auch seine Hightech-Anlage, nur verstanden habe ich nicht alles. Ist auch nicht so wichtig, da für so etwas in unsere Gemeinde kein Geld vorhanden ist. Aber nett und interessant war es.
Danach war der Besuch des Marinemuseums geplant. Dafür hatte ich schon einige Empfehlungen erhalten, aber die waren alle vor der Coronazeit. Es war schon komisch, dass kein Eintrittsgeld verlangt wurde, aber dies war dem Umstand geschuldet, dass die eindrucksvollsten Attraktionen nicht zugänglich waren. So war das U-Boot und viele Räume, die nicht zum Hygiene-Konzept passten, geschlossen. Trotzdem habe ich gute und interessante Eindrücke erhalten dürfen.
Zum Beispiel war mir vorher nicht bekannt, dass Karlskrona die Wiege der schwedische Marine ist und daher bis noch nach dem kalten Krieg von Ausländern nicht besucht werden durften. Auch der gesamte Schärenabschnitt in der Hanöbucht war für die Segler die nicht aus Schweden stammen gesperrt. Das Übungsgebiet in der Bucht gibt es heute noch, was ich auf der Hinfahrt erfahren musste, aber die Schären sind gänzlich frei. Vielleicht erinnern sich noch die älteren Leser unter euch an dem Zwischenfall, wo ein sowjetisches U-Boot defekt im Schärengarten vor Karlskrona auftauchte. Oberpeinlich für beide Seiten.
Bei dem Spaziergang vom Hafen rauf auf die Bergkuppel auf dem der große Platz ist, viel mir ein alter Eisenbahntunnel unter dem Berg auf. Hier wurden früher die Materialien für die U-Bootproduktion zu der Werft transportiert. Vielleicht sollten die Schweden einmal bei uns zum Mirkerbahnhof kommen, um zu sehen, wie man aus einer alter Eisenbahntrasse einen tollen Fahrradweg machen kann.
Und da saß ich, diesmal aber mit zwei Arbeitern die im Hafen angestellt waren, in der Sauna und erzählte von meinen Erlebnissen. Ich glaube sie nicht gelangweilt zu haben, ich musste als erste unter die kalte Dusche.